Mein Kind = dein Kind?
Damit der Nachwuchs gleichgeschlechtlicher Partner:innen zwei rechtlich gleichgestellte Elternteile hat, hilft nur eine Stiefkindadoption.
»Das größte Glück ist manchmal ganz klein« – so sagte es einst ein weiser Mensch. Was er nicht verriet: Das große Glück von erster Sekunde an unbeschwert genießen zu können, ist nicht jedem vergönnt. Homosexuellen Paaren nach einer oft jahrelangen Odyssee durch Täler der emotionalen und finanziellen Belastung mit – endlich erfülltem – Kinderwunsch jedenfalls nicht. Und somit auch uns, einem lesbischen Paar mit Kinderwunsch, nicht.
Dass unser Zusammenleben als Paar noch gekrönt werden konnte, darin waren sich meine Frau Anja und ich uns schnell einig. Ein Leben zu dritt – und alsbald auch zu viert –, das war unser Traum, den wir uns erfüllen wollten. Ein Leben als Elternpaar für einen beziehungsweise zwei kleine Erdenbürger. Ein Leben als glückliche Regenbogenfamilie.
Für unsere beiden Regenbogenkinder, unseren Sohn Phil (2016) und unsere Tochter Lynn (2020), die in meinem Bauch heranwuchsen, war ich von Anfang an die Mutter. Leiblich, rechtlich, emotional. Doch Anja blieb nur eines davon: der emotionale Part.
Emotionale Achterbahnfahrt
Sicherlich: Sie hätte sich darauf beschränken können. Auf das emotionale Mamasein. Auf das Tragen elterlicher Verantwortung, gemeinsam mit mir. Nur eben nicht auf dem Papier.
Doch zufrieden waren wir damit nicht. Während der emotionalen Achterbahnfahrt als frischgebackene Mamas drückten uns die Fragen: Was, wenn mir als alleinig rechtlicher Mutter etwas passiert? Wer trifft dann wichtige Entscheidungen? Oder solche, die schon bei Arztbesuchen nunmal vonnöten sind – und Anja für unsere Kinder nicht hätte treffen dürfen? Wieso steht sie, nur weil sie kein Kind geboren hat, in ihrem »Mamasein« meinem nach? Wieso wird der zweite Elternteil bei homosexuellen Paaren ungleich behandelt?
Für uns wurde immer klarer: Wir möchten die bereits wahrgenommene Verantwortung als gemeinsame elterliche Verantwortung weiterführen. Die Lebenssituation und die Rechtsstellung des Kindes verbessern. Eben auch auf dem Papier.
Der Weg dorthin ist ebenso steinig wie sein Name absurd ist: Stiefkindadoption.
Das Gefühl, sein eigenes Kind adoptieren zu müssen, schickt Betroffene gleich wieder auf emotionale Achterbahnfahrt. Verständnis- und Ratlosigkeit, Wut, Entsetzen, auch mal Mutlosigkeit. Doch das Ziel haben wir nie aus dem Blick verloren: Wir wollten unseren Kindern gleichberechtigte Mütter sein. Emotional wie rechtlich. Und mit unserer Entscheidung lösten wir gleich ein weiteres Ticket für die nächste Achterbahnfahrt.
Zeugnis zur »Mamareife«
Um ein Zeugnis zur »Mamareife« abzulegen, muss man sich vor allem eines machen: nackig. So würde es Anja wohl beschreiben. Einen emotionalen Striptease hinlegen. Einen finanziellen noch dazu. Um dank einer Adoption nicht nur sittlich, sondern auch mit rechtlichen Pflichten Mutter zu sein, gilt es, allerhand Dokumente zu beschaffen und einzureichen. Ein umfangreicher Lebensbericht will verfasst (das Jugendamt hilft mit vorgegebenen Themenstichpunkten), ein Gesundheits- sowie Führungszeugnis besorgt und vorgelegt werden. Man kämpft nicht nur mit Windelbergen, sondern auch gegen die Mühlen der Ämter. Erklärt bei einer Ladung beim Familiengericht – vor dem man getrennt von seiner/m Partner:in vorspricht –, weswegen man das Kind denn adoptieren möchte.
Während man nicht nur innerlich laut schreien möchte, stellt man einen Adoptionsantrag beim Notar, legt seine finanzielle Situation offen, spricht über den Status quo seiner Beziehung. Muss sich fremden Menschen in einer Weise offenbaren, in der man es niemals für möglich gehalten hätte. Und ertappt sich immer wieder beim Gedanken: Ein heterosexuelles Elternpaar kommt niemals in diese Situation. Muss niemals einen solchen »Elternführerschein« bestehen, so wie wir es mussten. Ein Kind nicht-gleichgeschlechtlicher Eltern weiß Rechtssicherheit von Geburt an an seiner Seite. Zwei Elternteile. Doppelter Schutz. Doppelte Unterhalts- und Erbansprüche.
Seit September 2017 erscheinen auf Phils Geburtsurkunde dann endlich unser beider Namen.
Mutter: Marie Christina Schröders. Vater (!!!): Anja Schröders…
Doch diesem durchaus gängigen Formulierungswahnsinn möchte ich mich in einem anderen Blogbeitrag widmen.