Alles hetero, oder was?
Links oder rechts. ♀ oder ♂. Die Tür mit dem Venus- oder die mit dem Marssymbol. Gestern Abend in der Bar. Um Wasser zu lassen, muss man sich entscheiden. Damen- oder Herrentoilette. Als gäbe es nichts anderes. Männer und Frauen. Hübsch kategorisiert. Willkommen in unserer heteronormativen Welt, die nur zwei Geschlechter kennt: Männlein und Weiblein.
Heteronormativität: Weshalb unsere Gesellschaft immer noch an alten Grundfesten klebt
Dabei entscheiden wir nicht einmal selbst, zu welcher »Kategorie« wir gehören. Das machen andere für uns, wenn wir an Mamas Brust die ersten Atemzüge tun. Penis dran? Junge! ♂ eingetragen und ab dafür. Für Cispersonen im Laufe ihres Lebens auch überhaupt kein Problem. Das sind all diejenigen, die bei Geburt ein Geschlecht zugeordnet bekommen haben, das für sie ein Leben lang passt. Und ja, bei der Mehrheit stimmt die Geschlechtsidentität mit dem bei der Geburt (biologisch) zugewiesenen Geschlecht überein. Sie identifizieren sich also mit ihrem Geburtsgeschlecht.
Vergessen werden dabei allerdings alle Transgender-Personen (auch für diejenigen hätten wir zumindest ein Symbol im Angebot: ⚧️). Individuen, deren Geschlechtsidentität nicht oder nicht ganz mit dem nach der Geburt eingetragenen Geschlecht übereinstimmt oder die eine binäre Geschlechtszuordnung – also die Eingruppierung in „Frau“ oder „Mann“ – ablehnen. Viele Nichtbinäre verstehen sich als Transmenschen, manche aber auch nicht. Keine Frage, mittlerweile gibt es mit divers einen dritten Personenstand. Allerdings geht die Selbstbezeichnung nicht–binär weit darüber hinaus. Wenn es dann noch um sexuelle Orientierung einer Person geht, die mit der Übereinstimmung von Geschlecht und Identität erstmal gar nichts zu tun hat, wird’s richtig kompliziert.
Das definierte Normale
Bleiben wir also bei unserer heteronormativen Welt, in der ein Mensch entweder Mann oder Frau ist und – natürlich! – die beiden füreinander geschaffen sind, was sie in einer heterosexuellen Beziehung ausleben. Herrlich einfach. Herrlich bequem. Hetero als das definierte Normale. Homo? Bitte nur wohldosiert, wenn überhaupt. Und das alles, weil unsere Gesellschaft an drei Grundfesten klebt:
1. Es gibt nur zwei Geschlechter: Frau und Mann. Und natürlich identifizieren sich alle mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht.
2. Alle Menschen sind heterosexuell, Männer und Frauen fühlen sich also ausschließlich zueinander hingezogen. Mann liebt Frau, Frau liebt Mann. Fertig.
3. Das große Kleben an traditionellen Rollenbildern: Männer und Frauen sind unterschiedlich, erfüllen aber ihr Rollenbild. Bub interessiert sich für Fußball, das Mädel für Puppen. Mann trägt Bart, Frau Make-up. Und so weiter.
Die Schlussfolgerung aus all den heteronormativen Überzeugungen? Alles davon abweichende ist nicht normal.
Und weil wir doch alle in einem heteronormativen Umfeld sozialisiert wurden, fängt genau hier das Unwohlsein, Rechtfertigen und Verteidigen derjeniger an, die sich in dieser Welt nicht zuhause fühlen. Die Normalen hier, die nicht Normalen dort. Deswegen wird von queeren Menschen verlangt, sich zu outen. Ein Hetero muss das nicht. Der ist ja der Normale. Und alle anderen eine verschwindend geringe Minderheit? Von wegen.
LGBTI: 7,4 Prozent in Deutschland
Wir lassen Zahlen sprechen: Über 10.000 Europäer wurden von einem Berliner Forschungsunternehmen befragt. Das Ergebnis: Deutschland ist das Land, in dem sich die meisten Menschen nicht als heterosexuell definieren – 7,4 Prozent deklarieren sich als LGBTI. Damit kommt der höchste Wert Europas von … uns!
Wenn also die Welt gar nicht so hetero ist, wie wir alle denken (und wonach wir alle handeln), weshalb kleben wir dann an alten Zöpfen? Wenn wir doch auf dem Weg zu einem New Normal sind, weshalb kreuzen wir auf dann Formularen immer noch brav „männlich“ oder „weiblich“ an und freuen uns, wenn zumindest ein „divers“ zu finden ist? Weshalb tragen wir es mit, dass die Welt immer noch viel zu oft in „für Frauen“ und „für Männer“ eingeteilt wird, obwohl es doch so viele weitere Definitionen von Geschlecht gibt? Letztendlich sollte es doch bei allem immer um die das persönliche Glück des Einzelnen gehen und die Freiheit zu sein, wer man ist. Alles andere beschränkt Glück und Entwicklung. Weg mit allen Kategorisierungen wäre ein Weg zum New Normal und der Freiheit im Sein für alle.
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